Zeiteffiziente Tragwerksplanung dank
Open-BIM

Das Bauvorhaben THE VIEW zeigt, welchen Stellenwert BIM in der Tragwerksplanung einnehmen kann.
Mit THE VIEW entsteht in Bad Aibling ein gigantisches Wohnquartier. (©BPD Immobilienentwicklung)

In Bad Aibling, einer Kurstadt im Voralpenland nahe Rosenheim, wird in den kommenden Jahren in drei Bauabschnitten ein gigantisches, neues Wohnquartier entstehen. Das Ingenieurbüro concon aus Traunstein wurde mit der planerischen Gesamtbetreuung des Bauvorhabens betraut. Im Projektbericht gibt der verantwortliche Tragwerksplaner Florian Lindner ausführlich Einblick in den digitalen Planungsprozess, der von einem Datenaustausch mit offenen Informationsmodellen zwischen CAD- und Berechnungssoftware geprägt war. Dabei zeigt er auf, wie BIM in der Tragwerkplanung funktionieren kann.

Die Wohnanlage „THE VIEW“ bietet im Stadtteil Harthausen auf einer Gesamtfläche von ca. 21.000 m² Platz für 17 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 193 Eigentumswohnungen. Auch eine Kindertagesstätte wird dem Areal angehören. Der Bauabschnitt 1 (4.490 m²) befindet sich bereits seit Juni 2022 im Bau. Für den Bauabschnitt 2 (3.430 m²) ist der Baubeginn für das Frühjahr 2023 geplant. Dieser gründet zusammen mit dem dritten Bauabschnitt (4.350 m²) auf einer gemeinsamen Tiefgarage. Während das Ingenieurbüro concon für den Bauabschnitt 1 neben der Kernkompetenz Tragwerksplanung, der Bewehrungs- und Schalplanung auch den Wärme- und Schallschutz übernahm, wurden die Ingenieure für die beiden darauffolgenden Abschnitte zusätzlich mit dem Brandschutz und dem GEG-Nachweis beauftragt.

Planerische Gesamtbetreuung ergibt Sinn

„Gerade bei einem solch großen Projekt ist es sinnvoll, dass wir die planerische Gesamtbetreuung für zwei der drei Bauabschnitte übernommen haben, um den Planungsablauf zu optimieren. Die gesamte Planung kommt aus einem Büro kommt. So können wir maximal effizient arbeiten“, sagt Benjamin Di-Qual, der gemeinsam mit Raphael Huber die Geschäfte von concon führt. Alle drei Bauabschnitte wurden mit Gebäuden der Gebäudeklassen 3 und/oder 4 geplant und sind daher prüfpflichtig. Um eine prüffähige und nachvollziehbare Statik zu erstellen, griffen die begeisterten FRILO-Anwender also auf FRILO als alleiniges statisches Rechenprogramm zurück.

BIM in der Tragwerksplanung

Zunächst wurden die Daten des Modells via IFC-Datei an den BIM-Connector übergeben und auf diese Weise in FRILO integriert. Das Modell war zuvor mit Allplan angefertigt worden. Im BIM-Connector reduzierte Florian Lindner, Projektleiter Tragwerksplanung, das Modell erst einmal auf die für den Lastabtrag relevanten, tragenden Bauteile. Dafür steht im BIM-Connector die Funktion „Lastabtrag über Material“ zur Verfügung. „Die Zuordnung von tragenden und nichttragenden Strukturen funktioniert im Physischen Modell schnell und zuverlässig. Sind die eingesetzten Materialien vom Architekten korrekt klassifiziert, lassen sich Dämmungen, Trockenbauwände und sonstige Elemente, die für meine Statik belanglos sind, einfach per Knopfdruck entfernen. Der BIM-Connector ist eine enorme Hilfe, wenn es darum geht, ein Modell vom Architekten auf seine Tragwerksstrukturen zu reduzieren“, resümiert der Ingenieur, für den BIM in der Tragwerksplanung einen hohen Stellenwert einnimmt. Ein kostenloses Workflow-Paper dient als Anleitung für die Datenübergabe von Allplan an FRILO und die Nutzung der Funktionen im BIM-Connector.

Signifikante Zeitersparnis

„Bevor ich mit dem BIM-Connector gearbeitet habe, hätte ich für die manuelle Eingabe eines Projekts solcher Dimensionen in FRILO mehrere Tage gebraucht. Dank des automatisierten Modellimports über den BIM-Connector fällt die manuelle Eingabe nun weg. Die Obergeschosse der sechs Häuser konnte ich so an nur einem Tag eingeben und auf Plausibilität überprüfen“, verdeutlicht er die signifikante Ersparnis an Arbeitszeit. Ab einem Bauvorhaben von der Größe eines Mehrfamilienhauses sei der Einsatz des BIM-Connector laut Lindner sinnvoll, um BIM in der Tragwerksplanung zu praktizieren. 

Die Übergabe von Allplan an FRILO in Form von IFC-Dateien fördert BIM in der Tragwerksplanung.
Der gesamte Bauabschnitt 2 als Modell in der CAD-Software Allplan. (©concon)

Das Berechnungsmodell

Nachdem die ersten Anpassungen vorgenommen waren, wechselte der Tragwerksplaner im BIM-Connector vom Physischen Modell ins Berechnungsmodell. Dadurch wurden die Volumenelemente automatisch in Stab- und Flächenelemente umgewandelt. Die im Berechnungsmodell zur Verfügung gestellten Funktionen erlaubten es ihm, im Handumdrehen ein korrektes statisches Modell zu erzeugen. So lässt sich beispielweise die Geometrie der Berechnungselemente anpassen. Unverbundene Bauteile können verbunden, Wände können zerlegt werden. „Aufgrund der unterschiedlichen Wandstärken zwischen der Mauerwerkswand im Erdgeschoss und der Wand aus Stahlbeton im Untergeschoss musste ich in diesem Projekt die Außenwände manuell zueinander verschieben, um einen sauberen Lastabtrag in der Tragachse zu gewährleisten. Das hat aber super funktioniert“, erklärt Lindner und ergänzt: „Auch Anforderungen an eine komplexere Geometrie wie Höhensprünge löste der BIM-Connector äußerst zufriedenstellend.“ Nachdem im Berechnungsmodell alle Eingaben überprüft und ungünstige Bauteilausrichtungen behoben worden waren, ging Lindner zur eigentlichen statischen Bauteilbemessung über.  

"Mir hat die Schnittstelle zum GEO ein korrektes, prüffähiges und nachvollziehbares Ausgabedokument zu den statischen Berechnungen ermöglicht. Ich freue mich, den BIM-Connector auch für zukünftige Projekte einzusetzen."

Mit dem BIM-Connector gelingt es, BIM in der Tragwerksplanung zu etablieren.
Der Bauabschnitt 2 als Modell nach der Datenübergabe im BIM-Connector von FRILO. (©concon)

Modellierung im Gebäudemodell GEO

Im Fall von Bauabschnitt 2 erstellte er für jedes der sechs Häuser eine eigene statische Position. Dann ermittelte er den Lastabtrag geschossweise Haus für Haus mit dem Gebäudemodell GEO von FRILO. Ein siebtes Modell wurde für die Tiefgarage erzeugt. „Um die Lastübernahme aus den Gebäudepositionen im Tiefgaragen-Modell zu berücksichtigen, habe ich die Lasten der sechs Häusermodelle auf die Tiefgarage weitergeleitet“, beschreibt Lindner sein Vorgehen. Als der vertikale Lastabtrag für den kompletten Bauabschnitt ermittelt war, steuerte er die FRILO-Programme für die Bemessung einzelner Bauteile an.

Die Übergabe an die Bemessungsprogramme

Die Decken berechnete Lindner mit dem Plattenprogramm PLT. Für die Berechnung der Unterzüge griff er auf den Durchlaufträger DLT zurück. Bei der Nachweisführung für Wände und Stützen machte er vom B5+ Gebrauch. Für jene Berechnungen wurden die im GEO bereits vordefinierten Geometrien sowie die dort ermittelten Lasten automatisch übergeben. Für die Bemessung des Dachstuhls kamen schließlich noch das DACH+ sowie das HTM+ und das HO1+ zum Einsatz. „THE VIEW war erst mein zweites Projekt mit dem BIM-Connector. Dank seiner klar strukturierten und übersichtlichen Benutzeroberfläche habe ich mich schnell zurechtgefunden. Außerdem hat mir die Schnittstelle zum GEO ein korrektes, prüffähiges und nachvollziehbares Ausgabedokument zu den statischen Berechnungen ermöglicht. Ich freue mich, den BIM-Connector auch für zukünftige Projekte einzusetzen“, zieht Lindner ein positives Fazit. Aus seiner Sicht trägt FRILO mit dem BIM-Connector dazu bei, die Arbeitsmethodik BIM in der Tragwerksplanung zu fördern.