FRILO & CARBOrefit® | Die Rechnung mit Carbonbeton geht auf

Die Hyparschale in Magdeburg nach der Anwendung des CARBOrefit®-Verfahrens (©CARBOCON)
Die Hyparschale in Magdeburg nach der Anwendung des CARBOrefit®-Verfahrens. (©CARBOCON)

Weil Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz die Zukunft des Bauens maßgeblich prägen werden, sind zunehmend praktikable Lösungen gefragt, die dem Klimaschutz Rechnung tragen. Mit CARBOrefit® hat die CARBOCON GMBH ein innovatives Verfahren entwickelt, das das Sanieren und Verstärken mit Carbonbeton ermöglicht. Um die Praxistauglichkeit bei Planung und Bemessung der ressourceneffizienten und langlebigen Carbonbetonverstärkungen zu erhöhen, hat FRILO das CARBOrefit®-Verfahren nun in die eigene Software integriert.

Immer mehr Stahlbetonbauwerke in Deutschland stehen aktuell am Scheideweg. Korrosionsschäden und Probleme mit der Tragfähigkeit werfen die Frage auf: Muss ein Bauwerk in der Einzelfallbetrachtung unbedingt abgerissen werden oder sind Sanierung und damit Erhalt auch eine Option? Aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektive sind der Erhalt und die Weiternutzung von bestehender Bausubstanz dringend zu empfehlen, denn je länger Bauwerke genutzt werden können, desto weniger Neubauten sind von Nöten. Und mit dem Neubau gehen mehr Kosten und ein höherer Ressourcenverbrauch einher. Zugleich kann auch eine Instandsetzung oder Verstärkung von Bauwerken, die Mängel aufweisen oder umgenutzt werden sollen, zum gewünschten Resultat für die vorgesehene Nutzung führen. Das zeigt das Beispiel der Hyparschale in Magdeburg eindrucksvoll. Der Erhalt möglichst vieler bereits bestehender Bauwerke nimmt also eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele ein. Doch dafür werden effiziente und wirtschaftliche Lösungen zum Sanieren und Verstärken von Bestandsbauwerken benötigt werden.

Was kann Carbonbeton?

Die Erkenntnis, dass sich die Ertüchtigung von Bauwerken für die Klimabilanz rechnet, ist nicht neu. Im Stahlbetonbau werden seit Jahrzehnten diverse Sanierungsverfahren genutzt: Ortbetonergänzungen, bewehrter Spritzbeton, geklebte Lamellenbewehrung aus Stahl oder Faserverbundkunststoffen sowie externe Vorspannung. Mit dem Carbonbeton steht der Baubranche seit geraumer Zeit ein innovativer Baustoff zur Verfügung, der eine besonders umweltfreundliche Sanierung und Verstärkung zulässt. Carbonbeton setzt sich aus getränkten Carbongittern und Feinbeton zusammen und wird zur Verstärkung der Biegetragfähigkeit auf der zugbeanspruchten Seite des Stahlbetonbauteils aufgebracht. Die Carbongitter sind extrem filigran und dabei sehr leistungsstark. Sie weisen eine deutlich höhere Zugfestigkeit auf als üblicher Bewehrungsstahl. Zudem ist die Carbonbewehrung korrosionsbeständig und benötigt daher im Vergleich zur Stahlbewehrung eine viel geringere Betondeckung. So erhöht  bereits eine wenige Millimeter starke Ergänzungsschicht die Bauteiltragfähigkeit maßgeblich. Das Bauteileigengewicht nimmt dabei nur geringfügig zu.

Aufbau der CARBOrefit-Verstärkung (©TU Dresden)
Der Aufbau einer CARBOrefit®-Verstärkung (©TU Dresden)

Damit ergeben sich bereits durch die Materialeigenschaften und den damit verbundenen reduzierten Materialbedarf große Ressourcen- und CO2-Einsparungen. Zudem weist Carbonbeton durch das engmaschige und oberflächennahe Carbongitter nur sehr geringe Rissbreiten auf. Es ist also dichter und dauerhafter als Stahlbeton. Neben der Verstärkung wird auch eine wesentlich größere Langlebigkeit und Dauerhaftigkeit des Bauwerks geschaffen. Hervorzuheben ist das gute Verbundverhalten mit Stahlbeton. Durch die flächige Lastübertragung zwischen Bestand und Carbonbeton wirkt das System gänzlich ohne zusätzliche Verdübelung. Das bietet beispielsweise bei einem Bestand mit Spanngliedern einen wesentlichen Vorteil. Nicht unwesentlich ist die Möglichkeit, die Kontur des Bestandbauteils zu erhalten. Carbonbeton ist daher für den Erhalt denkmalgeschützter Objekte prädestiniert (Quelle 1 & 2).

Vergleich einer konventionellen Spritzbetonverstärkung (links) mit einer Carbonbetonverstärkung (rechts). (TU Dresden)
Vergleich einer konventionellen Spritzbetonverstärkung (links) mit einer Carbonbetonverstärkung (rechts). (©TU Dresden)

CARBOrefit® regelt den Einsatz von Carbonbeton

Seit 2014 gibt es für die Verstärkung mit Carbonbeton eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Das CARBOrefit®-Verfahren, das stellvertretend für ein Konsortium aus elf Partnerunternehmen von der CARBOCON GMBH weiterentwickelt und vorangetrieben wird, basiert auf der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) und der allgemeinen Bauartgenehmigung (aBG) CARBOrefit® Z-31.10-182 – ausgestellt durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) (Quelle 3). Die stetige Weiterentwicklung jener Zulassung und die Bereitstellung zahlreicher Planerhilfen machen es für planende Ingenieure immer einfacher, Carbonbeton auch tatsächlich in der Baupraxis einzusetzen. 

Der innovative Verbundwerkstoff besteht aus CARBOrefit®-Feinbeton und getränkten CARBOrefit®-Carbongittern. Angepasst an die Anforderungen eines konkreten Projekts kann die Geometrie der Gitter festgelegt und zwischen zwei Gelegetypen mit unterschiedlicher Zug- und Verbundfestigkeit gewählt werden. Die Verstärkung kann mit bis zu vier Lagen Carbongelege bzw. einer maximalen Bemessungszugkraft von 430 kN/m in der gesamten Carbonbewehrung erfolgen. Die Carbonbewehrung darf ausschließlich für Zugbeanspruchungen angesetzt werden. Eine Anordnung auf der druckbeanspruchten Bauteilseite ist jedoch auch möglich und kann zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit beitragen. Zudem ist das CARBOrefit®-Verfahren nur in Bauteilbereichen ohne rechnerisch erforderliche Querkraftbewehrung zulässig. Für den Schubwiderstand darf die Verstärkung nicht in Ansatz gebracht werden. Über den Schubfugennachweis wird sichergestellt, dass der Bestandsquerschnitt und die Verstärkung zusammenwirken.

Die Integration von CARBOrefit® in die FRILO Software

Angelehnt ist die Bemessung der CARBOrefit®-Carbonbetonverstärkung an die Nachweisführung von Spritzbetonverstärkungen. Bisher fehlte es allerdings an einer softwaregestützten Planung und Bemessung, um Tragwerksplaner beim Umgang mit Carbonbetonverstärkungen zu unterstützen. Um CARBOrefit® als anerkanntes Standardverfahren für die Sanierung, Verstärkung und Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken zu etablieren und somit zahlreiche weitere Bestandsbauwerke vor dem Abriss zu bewahren, haben FRILO und CARBOCON gemeinsam ein Bemessungstool entwickelt und auf den Markt gebracht. Auch wenn das Modul noch nicht alle zu führenden Nachweise umfasst, ist durch die Integration des Verfahrens in das FRILO-Programm Stahlbetonbemessung B2 ein erster wichtiger Schritt bei der Digitalisierung des Planungs- und Bemessungsprozesses gelungen. Für die noch nicht abgedeckten Bereiche werden mit der CARBOrefit®-Planermappe spezifische und hilfreiche Inhalte erarbeitet und kostenfrei zur Verfügung gestellt, um eine vollständige Nachweisführung zu unterstützen.

Die Integration von CARBOrefit® in das B2 ermöglicht die Bemessung von Carbonbeton.
Die Integration von CARBOrefit® in das B2 ermöglicht die Bemessung von Carbonbeton.

Im Programm Stahlbetonbemessung B2 ist derzeit die Bemessung carbonbetonverstärkter Stahlbetonquerschnitte auf Grundlage der aktuellen abZ/aBG möglich. Neben den Einsatzmöglichkeiten des CARBOrefit®-Verfahrens sind auch der Bestandsquerschnitt und die Umgebungsbedingungen genau begrenzt. So gilt die Zulassung ausschließlich für trockene Innenbauteile aus Stahlbeton bei einer relativen Luftfeuchte von maximal 65% und einer Höchsttemperatur von 40°C. Der Bestand muss aus Normalbeton (Festigkeitsklasse ≤ C50/60) und Stahlzugbewehrung mit Durchmessern von maximal 20mm bestehen. Auch an die Betondeckung und die Oberflächenzugfestigkeit vom Bestand werden Bedingungen gestellt. In der Praxis weichen jedoch Projekte schnell von der Anwendung gemäß Zulassung ab. Deshalb erfordern Carbonbetonverstärkungen häufig eine Zustimmung im Einzelfall.

Die Nachweisführung im B2

Das B2 prüft die genannten Forderungen der Zulassung. Basierend auf dem Know-How der CARBOCON GMBH ist im Programm auch eine Bemessung außerhalb der Zulassung möglich. Die Ausgabe im Programm macht Abweichungen deutlich sichtbar und begleitet durch entsprechende Hinweise und Empfehlungen zur Modifikation der Teilsicherheitsbeiwerte. Das B2 ermittelt aus der Normalkraft- und Biegebeanspruchung des definierten Querschnitts die Anzahl der erforderlichen Carbongitterlagen. Zudem führt das Programm bei einer Querkraftbeanspruchung den Schubnachweis für den Bestandsquerschnitt und für die Fuge zwischen Alt- und Carbonbeton. Basierend auf der Zulassung sind einachsig beanspruchte Rechteckquerschnitte ohne oder mit einer oberseitigen Ortbetonergänzung möglich. Eine praktische Ergänzung zum Verstärkungstool bietet die im B2 verfügbare Datenbank historischer Materialien, die aus Betonen und Stählen ab 1916 eurocode-basierte Parameter ermittelt. Außerdem ist eine völlig freie Definition des Altbetons und -stahls möglich.

Anleitung zur schrittweisen Bemessung

Zunächst definieren Anwender den Bestandsquerschnitt. Dabei lassen sich Betongüte, Art der Bewehrung, die Beton- und Stahlgüte sowie die Geometrie festlegen. Anschließend wird die Beanspruchung, die auf das Bauteil nach der Verstärkung wirkt, eingegeben. Im Dialog zur Dauerhaftigkeit können Tragwerksplaner die Durchmesser der vorhandenen Stahlbewehrung definieren und die Angaben zu Umgebungsbedingungen wie Expositionsklassen oder Luftfeuchte einstellen. Daraufhin lässt sich die Verstärkung mit CARBOrefit® bestimmen. Dafür fragt die Software zunächst die für die Bemessung relevanten Eigenschaften des Bestandes ab. Im Anschluss erfolgt eine Überprüfung bestimmter Kriterien für das Verstärken mit CARBOrefit® nach allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung. Anwender können zwischen den zugelassenen Gittertypen wählen und eine Sonderausführung berücksichtigen. Auf Basis der hinterlegten Eigenschaften der CARBOrefit®-Verstärkung ermittelt das B2 die zentralen Bemessungsergebnisse und zeigt die erforderliche Carbonbewehrung, die vorhandene Carbonbewehrung je Lage, die Anzahl der Gitterlagen sowie der Ausnutzungsgrad an. In der abschließenden Ausgabe ist die gesamte Bemessung von Eingabe bis hin zu Ergebnissen zusammengestellt.

Literaturverzeichnis

1) Handbuch Carbonbeton Einsatz nichtmetallischer Bewehrung, 1. Auflage, Verlag Ernst & Sohn, Manfred Curbach, Josef Hegger, Matthias Lieboldt, Frank Schladitz, Matthias Tietz

2) Beton-Kalender 2022, Teil 2, Konrad Bergmeister,  Frank Fingerloos, Johann-Dietrich Wörner (Hrsg.)

3) Verfahren zur Verstärkung von Stahlbeton mit Carbonbeton (Z-31.10-182), DIBt (15.12.2021): Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung/Allgemeine Bauartgenehmigung CARBOrefit®